Das Hexenmal by Deana Zinßmeister
Autor:Deana Zinßmeister [Zinßmeister, Deana]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub, azw3
Herausgeber: Random House DE
veröffentlicht: 2009-10-01T22:00:00+00:00
Agathe war von dem Begleiter ihres Stammkunden Milchkarl sichtlich angetan. Nicht nur, dass er noch jung war und glatte Haut hatte – er roch auch gut, was bei ihren Kunden höchst selten der Fall war.
Leise sprach Karl mit ihr. Agathe ließ Clemens dabei nicht aus den Augen. Voller Vorfreude musterte sie ihn eingehend.
Zu ihrem Schutz durften die Frauen stets nur mit einem Mann in ihre Kammer gehen. So blieb Milchkarl zurück, als Agathe Clemens zu ihrem Gemach geleitete. Als er Clemens’ ungläubigen Blick auffing, lachte er schallend.
Da keine der anderen Huren den älteren Mann interessierte, ging er in die Spelunke, in der er vor einigen Tagen Wilhelm beobachtet hatte.
Obwohl es noch früher Abend war, brannten die Talglampen im Schankraum. Wieder hingen dünne Schwaden Pfeifenrauch wie Nebelschleier in der Luft.
Karl bestellte ein Bier. An die Theke gelehnt, sah er sich um und erschrak. Am selben Platz wie beim letzten Mal saß Münzbacher. Und auch heute sprach er mit einem Mann – und wenn er sich nicht täuschte, hatte er den zuletzt ebenfalls hier zusammen mit dem Notar gesehen.
Karls Herz pochte bis zum Hals. Wenn er doch nur Clemens rufen könnte! Um nicht aufzufallen, setzte sich der Alte zu vier Männern an einen Tisch, an dem geknobelt wurde. Er tat interessiert am Spiel, hatte aber nur Augen für Münzbacher. Der schien sich mit dem anderen Mann zu streiten, denn ab und an konnte Karl erregte Wortfetzen ihres Gesprächs erhaschen. Plötzlich stieß der Notar seinen Stuhl um, erhob die Faust gegen den anderen, und es sah so aus, als würde er gleich zuschlagen. Doch stattdessen stampfte Münzbacher wütend aus der Spelunke.
Milchkarl kippte in einem Zug das dünne Bier hinunter und folgte dem Notar.
Als er auf die Straße trat, war Münzbacher nicht mehr zu sehen. Karl lief nach rechts und nach links, aber der Mann blieb verschwunden. Plötzlich hörte er lautes Geschrei, das ihn zurück zum Hurenhaus führte. Karl konnte durch die geöffnete Tür gerade noch sehen, wie Münzbacher zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinaufstürmte. Wieder drang Geschrei an sein Ohr, dann war zu hören, wie ein Krug an einer Wand zerschellte und ein Stuhl krachend zerbrach. Dazwischen die erregten Worte und das Geschrei einer Frau – Agathe!
Karl wollte gerade die Treppe hinaufsteigen, als ihm der Notar entgegenkam und wutschnaubend nach draußen eilte.
Unschlüssig blieb Karl am Treppenabsatz stehen. Sollte er ihn nun verfolgen oder nach dem jungen Clemens sehen?
Als er aber vor die Tür des Freudenhauses trat, war Münzbacher verschwunden.
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